Euro-Krise: Eine Studie der Luxemburg-Stiftung empfiehlt linke Alternativen zu Angela Merkels Rettungspolitik
In den deutschen Linksparteien haben sich bis aufs Messer bekämpfende Flügel Tradition, so auch jetzt wieder. In der Euro-Frage stehen sich die auf Ministersessel schielende „Realo“-Fraktion um Gregor Gysi, der 1998 zu den wenigen zählte, die im Bundestag gegen die Währungsunion stimmten, aber inzwischen die Euro-Alternativlosigkeit teilt, und die neue Euro-kritisch positionierte „Fundi“-Gruppe um Oskar Lafontaine und Sarah Wagenknecht gegenüber. Letztere meint sogar, die neue, eher bürgerlich-rechte „Alternative für Deutschland“ (AfD) habe ihr Programm „bei uns abgeschrieben“.
Vorige Woche brachte Lafonaines langjähriger Ideen-Lieferant Heiner Flassbeck (bis 2012 Chefvolkswirt der Welthandels- und Entwicklungskonferenz Unctad) zusammen mit Costas Lapavitsas (University of London) eine dritte Variante ins Spiel. In einer für die Rosa-Luxemburg-Stiftung verfaßten Studie empfehlen sie eine neue Währungsunion mit dem Ziel, „Europa als politische Idee zu retten“ und „die Teilhabe aller Menschen am wirtschaftlichen Fortschritt unter allen Umständen zu gewährleisten“.
Wie soll diese neue Euro-Union aussehen? Erstens habe sie das wirtschaftstheoretisch wie -politisch unbrauchbare Konzept des Neoliberalismus zu verlassen. Der Versuch von Europäischer Zentralbank (EZB) und Brüsseler Kommission, die Währungsunion auf „monetaristischen Vorstellungen“ zu gründen – gemeint sind die der Bundesbank – sei gründlich gescheitert. Dasselbe gelte zweitens für die in Deutschland, dem stärksten Teilnehmer, vorherrschenden „kruden Ideen zum Wettbewerb von Nationen“ – gemeint ist die Politik der Exportsteigerung zu Lasten des Anstiegs der Reallöhne, also einem Lohnzuwachs unterhalb der Produktivitätsrate.
Mit diesem „nationalen Merkantilismus“ verschärfe Deutschland seine inneren Sozialkonflikte und exportiere sie in die wesentlich schwächeren Teile der Union: vom Mittelmeer bis in den Norden nach Irland, Frankreich, Belgien. Letztlich sei Deutschland der Urheber der Euro-Krise, die es durch Angela Merkels unsinnige Politik des Eintreibens dieser Forderungen bis zum Kollaps dieser Staaten verstärke.
Doch lediglich der dritte Punkt ist für die Euro-Debatte neu und interessant: Woran scheitert die EZB? Ihr Bundesbank-Konzept sei mit den Realitäten des modernen Finanzmarktes nicht vereinbar. Weder könne sie als Zentralbank (wie sie sollte) den europäischen Finanzsektor: die „offene Grenze“ zum globalen Finanzmarkt lasse so etwas nicht zu. Noch könne sie die ihr vorgeschriebene Abgrenzung der Geldpolitik von der (ihr verbotenen ) „monetären Staatsfinanzierung“ einhalten. Die ausufernde Staatsschuldenkrise verwischt diese Grenze und zwinge sie zu permanenten Regel-Verstößen gegen Statut, Aufgabe und Auftrag. Mit dem Verlust ihrer Glaubwürdigkeit gefährde sie jedoch die des Euro.
Monetäres Zypern und ein Euro wie die DDR-Mark
Wie wahr. Einerseits decken die Autoren der Studie mit ihrer Fehler-Analyse nur Schwachstellen des Euro-Systems auf, auf die die vier Euro-Kläger der ersten Stunde das Bundesverfassungsgericht bereits vor 15 Jahren hingewiesen haben. Damals waren SPD-Chef Lafontaine und Flassbeck (bis 1999 Staatssekretär im Bundesfinanzministerium) gerade dabei, Deutschlands Linke auf Helmut Kohls Euro-Kurs einzuschwören. Jetzt rufen sie mit (für sie) neuen Einsichten die Gewerkschaften zu jener aggressiven Lohnpolitik auf, die sie ihnen damals wegen Deutschlands Export-Interessen untersagten. Die beiden zentralen Fragen, wie viele Arbeitsplätze das kostet und wie ein künftiger Euro-Verbund ohne deutsche Überschüsse mit seiner dann tiefroten Leistungsbilanz dann weltwirtschaftlich dastünde, lassen sie vorsichtshalber unerörtert.
Andererseits wird der Öffentlichkeit wie dem anderen Flügel der Links-Partei tonnenweise Sand in die Augen gestreut. Denn was Flassbeck und sein Koautor anbieten, stellt weder eine „Alternative“ zu Merkels „Weiter so“ noch zum Euro-Konzept von SPD und Grünen dar. Auch ihnen geht es um den Erhalt des Euro – getreu der Devise von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso: „Koste es, was es wolle.“
Doch was kostet es? Flassbeck und Lapavitsas zeigen mit dankenswerter Klarheit auf, was droht, wenn die Euro-Rettungspolitik bis zum bitteren Ende fortgesetzt wird. Man müsse nur – so die Autoren – den Mut zur „Zypriotisierung“ der Euro-Zone aufbringen: zu verschärften und zentralistischen Bankenkontrollen sowie klaren Begrenzungen der Ein- und Anlegerfreiheit – ohne Kapitalverkehrskontrollen werde man der Krise und der sie verschärfenden Kapitalflucht nie Herr werden.
Aus richtiger Einsicht in die Gründe für das Scheitern der EZB ziehen die Autoren aber den unsinnigen Schluß: Die Kapitalflucht (der Selbstschutz der Sparer) als Folge dieser Politik sei die Ursache ihrer Folgen. Als der junge Flassbeck seine Doktorarbeit schrieb, wußte er es besser: Es ist die Furcht vor drohender Kapitalflucht, die jede weltoffene Geldwirtschaft davor bewahrt, zur Inflationsgemeinschaft zu verkommen: zur monetären UdSSR mit weicher Währung à la Transferrubel oder Mark der DDR. Lafontaines und Wagenknechts „eurokritische Alternative“, deren Aktionsprogramm mit der Studie nunmehr vorliegt, wird den Weg in dieses Europa gewaltig verkürzen.
Offen ist nur, ob sie dies will oder nicht sieht. Verräterisch ist, daß die Autoren darauf verzichten, zur einzigen sinnvollen Alternative Stellung zu nehmen: dem von ihnen lediglich angedeuteten Wechselkursverbund nationaler europäischer Währungen, wie er vor dem Euro bestand. Kann man ihnen verübeln, daß ihnen dazu nichts einfällt?
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Wilber Ruhland (Donnerstag, 02 Februar 2017 10:45)
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