Mit dem am 15. Januar 2014 verstorbenen Professor Wilhelm Hankel ist die Stimme eines der überzeugendsten Verfechters einer auf Freiheit und Selbstverantwortung beruhenden Währungsordnung und damit eines der schärfsten Kritikers des Euro für immer verstummt.
Der Bundestags-Abgeordnete Peter Gauweiler würdigt den verstorbenen Ökonomen Wilhelm Hankel in einem Nachruf. Dieser „kluge und mutige Mann“ habe gegen die Verträge von Maastricht und Lissabon und gegen Fehlentwicklungen beim Euro gekämpft – aus Leidenschaft für ein besseres Europa.
In der Debatte um den richtigen Weg aus dem Euro-Desaster hat sich ein Ansatz herauskristallisiert: die Einführung einer Doppelwährung. Doch wie soll das funktionieren? Der Ökonom Wilhelm Hankel, der ihn in seinem neuen Buch vertritt, erklärt den Ansatz.
Momentaufnahmen der Finanz- und Euro-Krise: Die Abschaffung der Zivilisation begann in Maastricht
Gebildete Europäer wissen, daß der die Welt verändernde europäische Kapitalismus aus Recht und Rechnen hervorgegangen ist. Daß es ohne Verträge und Vertragssicherheit in Europa niemals einen über den Status einer Drittwelt-Ökonomie hinausgehenden wirtschaftlichen Austausch gegeben hätte, war seit der Antike bekannt. Daher das eiserne Beharren der damaligen Philosophen und Juristen auf dem Grundsatz „Pacta sunt servanda“. Ohne dieses Prinzip der Vertragstreue wäre es beim primitiven, aber sicheren „do ut des“ – ich gebe, damit du gibst – geblieben.
Woche für Woche finden sich mehr oder weniger renommierte Professoren, die in den großen Leitmedien den Politikern und Wirtschaftslobbyisten beispringen und den Euro mit wissenschaftlicher Autorität für „alternativlos“ erklären. Kürzlich meldete sich mit Carl Christian Freiherr von Weizsäcker sogar ein renommierter Ökonom zu Wort, der einst zum „Kronberger Kreis“ der Stiftung Marktwirtschaft gehörte, Vorsitzender der Monopolkommission war und vor zwei Jahren das neue FDP-Grundsatzprogramm mitformulierte. Voriges Jahr sorgte der langjährige Ordinarius für Volkswirtschaftslehre der Uni Köln mit seiner Kritik an der starren Schuldenbremse im Grundgesetz für Furore.
Euro-Krise: Eine Studie der Luxemburg-Stiftung empfiehlt linke Alternativen zu Angela Merkels Rettungspolitik
In den deutschen Linksparteien haben sich bis aufs Messer bekämpfende Flügel Tradition, so auch jetzt wieder. In der Euro-Frage stehen sich die auf Ministersessel schielende „Realo“-Fraktion um Gregor Gysi, der 1998 zu den wenigen zählte, die im Bundestag gegen die Währungsunion stimmten, aber inzwischen die Euro-Alternativlosigkeit teilt, und die neue Euro-kritisch positionierte „Fundi“-Gruppe um Oskar Lafontaine und Sarah Wagenknecht gegenüber. Letztere meint sogar, die neue, eher bürgerlich-rechte „Alternative für Deutschland“ (AfD) habe ihr Programm „bei uns abgeschrieben“.
Währungspolitik: Eine neue D-Mark kann und muß aufwerten / Abwertung im EU-Süden unabwendbar
Daß die Rückkehr zur D-Mark zum Thema im Bundestagswahlkampf avanciert, überrascht nicht. Neu ist, daß sich das Thema eine neue Partei gesucht und gefunden hat: die Alternative für Deutschland (AfD). Überhaupt kein Novum ist, daß das den Bundestag beherrschende und um seinen Besitzstand bangende Parteien-Kartell die „Alternativen“ – medial unterstützt – mit der üblichen Kakophonie aus übler Polemik, unsachlicher Kritik und offener Diffamierung „begrüßt“.
Die noch immer gültige „Linie“ gab die Bild-Zeitung bereits vor drei Jahren vor, als sie die wenige Tage zuvor beschlossene erste – 110 Milliarden Euro schwere – Griechenland-Hilfe und den ersten Euro-Rettungsfonds EFSF mit als „alternativlos“ verteidigte: „Eine starke D-Mark hätte für Deutschland als zweitstärkste Exportnation der Welt verheerende Folgen: Unsere Waren würden bis zu 30 Prozent teurer, das Ausland könnte sich ’Made in Germany‘ nicht mehr leisten.“ Um solche Behauptungen zu „belegen“ wurden Unternehmensführer wie Siemens-Chef Peter Löscher zitiert: „Deutschland profitiert wie kein anderes Land vom Euro. Jeder zweite Job in der deutschen Industrie hängt vom Export ab“. Immerhin stimmt sein Argument, daß der Euro das Reisen erleichtert – was man von Siemens-Zügen nicht sagen kann: Deutsche Bahnkunden warten seit 2011 vergeblich auf 16 neue ICE-Züge, auch die Eurotunnel-Züge für Frankreich bereiten Siemens aktuell erhebliche technische Probleme – da hilft kein auch noch so niedriger Euro-Kurs.
Der damalige Metro-Chef Eckhard Cordes lieferte hingegen die politische Argumentationslinie: „Eine Rückkehr zur Mark würde Deutschland isolieren, Europa zerreißen und damit unser Land und den Kontinent in eine neue Wirtschaftskrise stürzen!“ Angela Merkel faßte dies einige Tage später in ihrer Bundestagsrede so zusammen: „Scheitert der Euro, dann scheitert Europa.“
Und seither verkünden die Hofökonomen von Banken, Wirtschaft und Politik ihre von der Realität längst widerlegte Mär: Ihre Lobby-Interessen seien identisch mit dem Gemeinwohl und dem Wohlergehen aller Deutschen und Europäer. Aber was nützt Europa eine Währung, in der weder gespart noch die Zukunft gesichert werden kann und in die sich keiner mehr traut, langfristig zu investieren, weil er das Ende voraussieht ?
Euro-Rettung, Zypern-Krise, Bankenblase: Der renommierte Euro-Kritiker Prof. Dr. Wilhelm Hankel im ZUERST!-Gespräch
1. Die Ursachen der EU-Krise: Leistungsbilanzdefizite oder Lohn-kostenexplosion? Wissenschaftliche Glasperlenspiele.
Der Theoretiker-Streit um die Ursachen der Eurokrise kreist um ein Henne-Ei-Problem. Geht die Zerreißprobe der Einheitswährung auf die chronischen Leistungsbilanzdefizite der Euro-Randstaaten
(Portugal, Spa-nien, Italien, Griechenland etc) zurück, oder sind diese die Folge von deren (dazu paralleler) Stücklohnkosten-Inflation?
Das eine bedingt das andere: Ohne die intern (real) falschen Wechselkurse der Euro-Staaten (die einen sind unter-, die anderen überbewertet) gäbe es weder die auf Dauer „unfinanzierbaren“
Diskrepanzen der Leistungsbilanz-Salden (extreme Defizite der einen, Überschüsse der anderen) noch die Finanz-Ressourcen für die (realwirtschaftlich) die Produktivität über-steigenden
Lohnkosten-Exzesse.
Beides wird („simultan“) von Außen finanziert – in der ersten Euro-Phase geschah es über die Finanzmärkte (Kredite und Kapitalexporte der Über-schussländer), inzwischen geschieht es „monetär“:
über die eskalierenden „Liquiditätshilfen“ (ELA,TARGET, ESFS, ESM usw.) der EZB.
Die EZB mit ihren Hilfsorganen ist zum „regionalen IWF“ mutiert, – nur dass letzterer seine Mittel nicht „schöpft“, sondern aus den Einlagen (Quoten) seiner Mitgliedsländer bezieht, während die
EZB ihre „Zahlungsbilanzkredite“ aus eigener Geldschöpfung finanziert: Inflation pro-duziert statt zu bekämpfen!
Beides: Tiefrote Leistungsbilanzen und vom Produktivitäts-Maßstab ab-weichende Lohnentwicklung wären unmöglich – gäbe es (nationalen) Währungswettbewerb und einen marktgerechten Anpassungszwang
für die Wechselkursbildung. Und keine den Anpassungs-Druck für Wechsel-kurse und Löhne aufhebende grenzen- und uferlose Zahlungsbilanz- Kredite seitens der EZB!
Die drei Stoßrichtungen („ Ziele“) der Euro-Reform, die der Wissen-schaftler-Streit unnötigerweise vernebelt, sind daher:
- Zurück zu Währungswettbewerb und nationalen Währungen,
- Wiederherstellung marktgerechter Wechselkurse mit Abwertungszwang für inflationäre Defizitländer und
- Verzicht der EZB auf Zahlungsbilanz- und darin involvierte Budget-Kredite („monetäre Staatsfinanzierung“).
Für alle drei Ziele besteht Handlungsbedarf und –zwang. Doch die Frage ist: Lassen sie sich umsetzen? Und wie rasch? Denn die „Lebenserwar-tung“ der gegenwärtigen Euro-Union ist wegen akuter
Krisen-Eska-lationsgefahr begrenzt.
2. Die akute Krisen- und Zerfalls-Gefahr der Euro-Zone geht allein vom Finanzsektor aus
Die Zypern-Krise deckt ein bislang tot geschwiegenes finanzielles Struktur-Problem der Euro-Zone gnadenlos auf: die Überdehnung des Bank-Sektors (Europas „overbanking“)
Die Bankbilanz-Volumina der Euro-Länder übersteigen (im Gegensatz zu den USA) die realen Wirtschaftsleistungen (gemessen am BIP) bei weitem, am dramatischsten in Mini-Volkswirtschaften ohne
industriellen Kern: Luxemburg, Malta, Zypern; außerhalb der EU in der Schweiz.
Am Rande der Euro-Zone hat sich ein Gürtel wirtschaftlich schwacher Volkswirtschaften mit hypertrophiertem Bank-Sektor gebildet, der selber nicht in der Lage (zu „unterkapitalisiert“ ) ist, um
sich im Krisenfall zu helfen. (In Luxemburg übersteigt das Bilanzvolumen der dort domizi-lierenden Banken das BIP um 2.100 Prozent. Weniger als 15% der lokal verdienten Einkommen stammen aus
realer Wertschöpfung und Arbeit). Fälle wie Zypern werden sich wiederholen und bedrohen in letzter Kon-sequenz die weltweite Liquidität des Euro und des europäischen Kapi-talverkehrs (Art. 66
AEUV). Das Euro-Krisenmanagement setzt auf Kapitalverkehrs-Kontrollen als „Lösung“. Der Euro mutiert statt zur „zweiten D-Mark“ zur „zweiten Mark der DDR“.
Mikroökonomisch angelegte Instituts-Lösungen (à la Basel oder der Ausbau der EZB zur Bankenaufsichts-Behörde) reichen zur Krisenabwehr nicht aus – und sind überdies erst auf lange Sicht
einsatzbereit.
Das oben skizzierte Programm muss daher durch die Wiederherstellung nationaler „ Feuerwehrfonds“ mit nationalen Zentralbanken als „lender of inexhaustable resorts“ gegen finanzielle Flächenbrände
(à la 1930er Jahre) ergänzt und zusätzlich abgesichert werden.(Ein Punkt auf den der Verf. schon in der Verfassungsklage von 1998 hingewiesen hatte)
Wie sieht (oder sähe) ein solches den obigen Erfordernissen angepasstes Euro-System aus? Es wird in meinem Buch vorgestellt und begründet.
3. Der Euro kann durch nationale Währungen nur ergänzt, nicht er-setzt werden. Ein Euro als ECU II würde zum „Goldstandard ohne das gelbe Metall“ Zwei Vorbemerkungen:
- Ein ersatzloses Streichen des Euro stürzt Europa in das größte Währungs- und Finanzchaos seit Untergang des Römischen Reiches. Der Block der aufgelaufenen Schulden und Vermögen in Euro (annähernd 12 bis 13 Billionen Euro, vier deutsche BIP) kann weder 1:1 (in alten Umrechnungskursen) zurück gerechnet, noch durch Abwertung in den neuen (alten) Währungen „aufgewertet“ (verteuert) werden. Deswegen muss für die Alt-Schulden-Regelung in Euro entweder eine europäische oder nationale „Bad-Bank-Lösung“ gefunden werden.
- Die EZB hat als „europäische Bundesbank“ auf der ganzen Linie versagt. Daher kann sie weder als „ultimativer lender of liquidity“ beibehalten noch als „ IWF der Euro-Zone“ fortgeführt werden. Unter beiden Prämissen ergibt sich für die Euro-Zone – sie ist beides: sowohl „nicht-optimaler“ wie „staatenloser“ Währungsraum (denn Brüssels zentralistischer Super-Staat ist aus politischen, rechtlichen wie ökonomischen Gründen abzulehnen) – eine durchaus funktionsfähige Währungsverfassung mit folgenden Elementen:
- Euro und jeweils nationale Währung bilden in jedem Euro-Staat ein „duales Währungssystem“. Der zu Beginn zwischen beiden „gesetzlichen Zahlungsmitteln“ (am Einführungstag) festgelegte
Umrechnungskurs ist und bleibt jedoch ein „monetärer Marktpreis“ und steht unter dem Diktat der Markt-Bewertung. Ein (monetär wie budgetär) „zu expansives“ Euro-Land gerät dadurch marktgesetzlich
unter Abwertungs-Druck.
– Die EZB emittiert Euro nur gegen den Ankauf nationaler Währungen zu Markt-Bedingungen: sie sanktioniert damit den Abwertungs-Druck und verzichtet auf jede „Flutung“ mit Euro.
(Liquiditäts-Hilfen à la ELA, TARGET usw. sind allein unter in ihrem Statut zu definierenden „Not- und Ausnahmefällen“ erlaubt.)
Unter diesen Bedingungen können inflatorische Prozesse (und Exzesse) nur von den nationalen Zentral- und Geschäftsbanken ausgehen (Die Gesamt-Geld-Mengen im Euro-System bleibt konstant und kann
nur über Kredite konjunkturell „atmen“). Inflatorische Alleingänge einzelner Euro-Länder werden vom Markt durch Abwertung und Zinserhöhung „be-straft“; ihr Ansteckungseffekt auf andere Länder
tendiert gegen Null.
4. Welches sind die Vorteile des neuen (€+)-Systems?
1. Das „Greshamsche Gesetz“ gilt wieder. Bürger und Anleger entscheiden, in welcher Währung sie sparen und ausgeben. Der (neue) Euro würde automatisch zum stabilsten, weil abwertungs-sicheren
Geld Europas: Alle nationalen Währungen können (und müssen!) zum Euro abwerten. Der Euro würde zum „Gold ohne das gelbe Metall“.
2. Europas Währungsgraben zwischen Euro- und Nicht-Euro-Ländern verschwindet. Nicht-Euro-Länder mit eigener Währung (Schweiz, Russland, Norwegen) könnten der EU und neuen Euro-Zone beitreten. Dasselbe gilt für alle WKII-Länder innerhalb der (alten) Euro-Zone.
3. Selbstverschuldete nationale Währungs- und Finanz-Krisen (à la Zypern und demnächst andere) bleiben nationale Krisen und gefährden nicht mehr den Euro. Der Euro wird endlich, was er werden sollte: ein global sicheres und akzeptiertes Geld – sicherer als der US-Dollar.
4. Die Euro-Alt-Schulden-Regelung – entweder über nationale „ Bad-Banks“ oder die bewährten Alt-Schulden – „Clubs“ unter Aufsicht des IWF (Pariser und Londoner Club) – befreien die heutigen Krisen-Län-der (Griechenland &Co ) von ihrer unzumutbaren (und politisch explo-siven „Selbst-Kasteiung“. Sie erhalten über die Bad Bank-Lösung für ihre Alt-Euro-Schulden sowohl Zeit für eine Schuldenstreckung sowie die Chance der Schuldenstreichung („haircut“): Es wäre die die Been-digung ihrer Dauer-Krise. Die EU würde wieder an Zusammenhalt und Attraktivität gewinnen.
5. Last but not least: Die akute Gefahr, dass die Euro-Staaten über die eskalierende Kapitalflucht in „totes Kapital“ (Gold, Immobilien, Alt-Aktien, Auslandsanlagen) wertvolles Wachstums- und Innovations-Potential verlieren, wäre gebannt. Die EU würde wieder zum dynami-schen Akteur auf der Weltwirtschafts-Bühne, eine Rolle, die sie seit der Euro-Krise nicht mehr spielt.
George Soros für Euro-Bonds – oder den Austritt Deutschlands
Eigentlich verdient George Soros den Karls-Preis für seinen an der Frankfurter Goethe-Uni verkündeten Rat, Deutschland solle entweder die anfallenden Mehrkosten für das Krisenmanagement der Euro-Zone übernehmen – 320 bis 350 Milliarden Euro Zinsen für die dafür benötigten „Euro-Bonds“ – oder ganz aus der Euro-Zone austreten.
Zypernkrise: Bei derEuro-Rettung werden Recht und Ökonomie mit Füßen getreten
Was schockiert am Fall Zypernmehr: die Sorglosigkeit, mit der Europas Spitzenpolitiker ein kleines, für Europas künftige Gas-Versorgung jedoch geostrategisches Schlüsselland in beispielloses
Elend und Chaos stürzen – oder die Skrupellosigkeit, mit der sie die in allen europäischen Staatsverfassungen garantierten Grundrechte des Geldeigentums mit Füßen treten, von „pacta sunt
ser-vanda“ bis zu Sparerschutz und Einlagensicherheit?
Mit ihrem Pfusch übertreffen die Pannenhelfer den Originalschaden um Zehnerpotenzen. Was wäre passiert, hätte man Zypern den Kredit, ein Klacks gemessen an den hunderten Milliarden Euro, die die Euro-Rettung bislang gekostet hat, ohne sinnlose Folterung gewährt?
Oder noch einfacher: Wenn man das Land aus dem Euro-Gefängnis wieder heraus gelassen hätte? Gleich Islandhätte Zypern die Chance bekommen, sich am eigenen Schopf aus seinem Schuldensumpf heraus zu ziehen. Im einen wie dem anderen Falle wären Euro und Euro-Zone nichts passiert. Hinter der Rettungs- Hysterie steckt das Motiv, daßes den Euro-Rettern (entgegen dem Versprechen, mit dem man die Deutschen in die Euro-Falle gelockt hat) ja gar nicht um die Stabilität der Währung geht. Es geht ihnen um Zusammenhalt und Ausweitung der Euro-Zone. Ihre Endstation Sehnsucht ist der europäische Superstaat, gleichgültig, ob er mit Demokratie, Marktwirtschaft, einer offenen Weltwirtschaft oder den Gesetzen der Mitgliedsländer vereinbar ist.
Die Misere wird klar, wenn man versteht, wie das Euro-System funktioniert: wie eine Kneipe, in der der Wirt ohne Unterlass Freibier ausschenkt und sich dann wundert, dass sich seine Gäste betrinken – solange bis er darüber selber pleitegeht! Gäste der Euro-Kneipe sind Zypern, Griechenland & Co, ihr Wirt ist das Euro-System.
Doch was wäre die Kneipe ohne ihre Kellner, die das Euro-Bier zum Euro-Trinker befördern: die Banken? Zwar erweist sich der Realsektor: die investierende, reale Werte und neue Arbeitsplätze schaffende Wirtschaft in der gegenwärtigen Krise des Euro als äußerst diszipliniert und zurückhaltend. Umso mehr langt offen oder versteckt hinter der Theke die Riege der Kellner zu.
Die Euro-Zone ist 2012 mit einem Bilanzvolumen der Banken von 34 Billionen Euro, dem Dreieinhalbfachen der realen Wirtschaftsleistung der in ihr vereinigten Volkswirtschaften„ overbanked“ – weit mehr als jede andere Region der Welt, die USA eingeschlossen. Spitzenreiter dieser Fehlentwicklung ist der „Groß-Staat“ Luxemburg. Der dortige Finanzsektor bringt es mit dem 21,7-fachen der Bilanzsumme seiner „kellnernden“ Bankenüber die Jahreswirtschaftsleistung des Landes auf einen unschlagbaren Weltrekord.
Luxemburg lebt gut und üppig von seiner finanziellen „Wertschöpfung“, die in der Zypern-Krise unter anderem darin bestand, das Geld der Oligarchen aus Russland und anderen Ländern über die dortigen Filialen der jetzt zu „reformierenden“ Zypern-Banken sicher (vor ihrer Konfiskation) außer Landes zu bringen. Doch wehe, wenn Luxemburgs Banken das Schicksal der zypriotischen oder demnächst maltesischen droht! Versteht man jetzt den Dauereinsatz luxemburgischen Spitzen-Politiker bis hin zu Ex-Euro-Gruppenchef Jean Claude Junker für die Belange Europas? Und ihre Bemühungen um Rettung der Banken, pardon des Euro?
Lange vor der „Alternative für Deutschland“ (AfD) hatten die Euro-Kritiker der ersten Stunde vor den in die Währungsunion eingebauten Sprengsätzen gewarnt. Lief sie doch auf den Kuhhandel von Ländern mit starker Export-Lobby (wie Deutschland),letzterer war ein weicher Euro stets lieber als eine harte D-Mark, diskret arbeitender Bank-und Finanzlobby und jenen Ländern an der Peripherie Europas hinaus, die nur auf eines scharf waren :möglichst billig an Geld und Kredit heranzukommen.
Seit Einführung des Euro kapitulieren Deutschlands Regierungen vor dieser unheiligen Allianz von Export- und Finanz-Interessen. Dem Süden der Euro-Zone ist das recht. Denn dort verstand man Demokratie im Euro-System ohnehin so, dass man den Wählern einen Lebensstandard versprach, den andere für sie bezahlten. Man ersetzte unpopuläre Steuern durch Euro-Schulden.
Nur: So wird der Euro nichtgerettet. Eine EZB, die frisches Geld druckt, nur um die Schulden haltloser Euro-„Trinker“ zu übernehmen, eine Transferunion, die darauf angelegt ist, diese Schulden den Nüchternen aufzuhalsen, läßt Sparern und Anlegern keine andere Wahl, als sich einen anderen Speicher zu suchen, in dem ihr Geld nichtverrottet.
Unter den älteren Deutschen sind längst die schlimmsten Albträume wiederwach. Artikel 66 des EU-Arbeitsvertrages (eingeführt auf Wunsch Frankreichs und von Deutschland akzeptiert) legitimiert alle Euro-Staaten zum Bau solcher „monetären Mauer“, hinter der einst DDR oder UdSSR ihre Sparer und Bürgereinsperrten. Noch stehen Deutschlands Sparern die guten und sicheren Geldanlagen der ganzen Welt offen. Seit Zypern müssen sie sich allerdings fragen, wie lange noch?
Die Neue Luzerner Zeitung publizierte in der heutigen Ausgabe vom Dienstag, 8. Januar 2013, ein bemerkenswertes Interview mit dem deutschen Ökonomen und Euro-Kritiker der ersten Stunde, Prof. Dr. Wilhelm Hankel. Auf einer ganzen Seite an prominenter Stelle führt der Journalist Kari Kälin ein Interview, das es wahrlich in sich hat. Es ist eine Wohltat zu lesen, mit welch messerscharfem Sachverstand Wilhelm Hankel das Euro-Desaster analysiert und dabei kein Blatt vor den Mund nimmt.
Interview Kari Kälin:
Wilhelm Hankel, wie ginge es Deutschland und den Euroländern heute ohne Euro?
Wilhelm Hankel: Glänzend. Deutschland stünde wirtschaftlich besser da als die Schweiz. Die meisten Euroländer befänden sich heute nicht in einer Krisensituation.
Weshalb?
Hankel: Wir hätten eine Reihe von Wechselkursbereinigungen und Währungsaufwertungen in Staaten wie Deutschland, Österreich oder den nördlichen Ländern erlebt. Wir hätten die Inflationsgefahr im Griff. Die südlichen Krisenstaaten befänden sich dank Abwertung der eigenen Währung auf dem Weg zur Genesung. Die griechische Drachme hätte an Wert verloren. Heute gilt die Unsinnsgleichung, dass ein Euro in Griechenland so viel Wert ist wie in Deutschland. Doch die Kaufkraft liegt in Griechenland gemäss der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) um 40 Prozent tiefer als in Deutschland. Mein Fazit: Ohne Euro ginge es ganz Europa besser. Die Gemeinschaftswährung hat die heutige, katastrophale Lage heraufbeschworen.
Ist der Euro noch zu retten? Oder steht er am Abgrund?
Hankel: Wahnsinn kann man nur eine gewisse Zeit lang betreiben. Was die Schweizerische Nationalbank mit den Eurokäufen macht, betreibt die EU auf monströse Weise im Grossen. Während die Schweizerische Nationalbank «nur» den Wechselkurs stabilisieren will, «rettet» die EU auf noch monströsere Weise ganze Volkswirtschaften und hält sie künstlich auf einem Stand, den sie längst nicht mehr haben. Aus währungs- und finanzpolitischer Sicht sind Staaten wie Griechenland, Spanien, Portugal bankrott. Die Euroretter vollführen eine Bankrottverschleppungspolitik, die sich nicht auf alle Ewigkeit aufrechterhalten lässt. Sie ist nicht zu bezahlen. Die Summen, die im Spiel sind, sind viel zu gross. Die Gesamtverschuldung in der südlichen Eurozone beläuft sich auf rund 13 Billionen Euro. Das entspricht viermal der jährlichen Wirtschaftsleistung Deutschlands.
Sind die Sparprogramme, welche die Troika Griechenland aufzwingt, nicht zielführend?
Hankel: Nein. Hier wird ein Patient quasi ohne Betäubung operiert. Die Euroretter erwarten auch noch, dass die Menschen die Einbussen bei den Einkommen, Renten und Sozialleistungen klaglos hinnehmen. Man kann aber gerade jungen Menschen nicht eine Zukunft ohne Perspektiven, ohne Aussicht auf eine Arbeit, zumuten. Wäre Griechenland nicht in der Eurozone, hätte es seine Währung schon vor Jahren abwerten und eine vernünftige, nationale Wirtschaftspolitik mit eigenen Wechselkursen und eigenen Zinsen verfolgen können. Die heutige Situation führt zum Beispiel dazu, dass Griechenland im eminent wichtigen Tourismussektor aus Kostengründen viele Kunden an die Türkei verloren hat. Athen wird von Brüssel fremdbestimmt.
Sie haben den Euro schon als «lebenden Leichnam» und Missgeburt bezeichnet. Dramatisieren Sie? Momentan herrscht an den Märkten ja eine relative Ruhe.
Hankel: Die Ruhe an den Märkten ist vergleichbar mit der Selbstberuhigung eines Selbstmörders, der von einem Turm springt und sich während des freien Falls sagt: «Es ist ja noch nichts passiert.» Das ist reiner Selbstbetrug.
Sehen Sie einen Ausweg aus der Eurokrise?
Hankel: Ich verrate meine konkreten Vorschläge, die ich an meinem Vortrag vom nächsten Samstag in Luzern präsentieren werde, noch nicht en détail. Die Ironie ist: Man könnte den Euro retten, indem man ihn in Kombination mit nationalen Währungen weiterführt, in einem Verbundsystem mit den von ihm verdrängten alten Währungen. Der Euro wäre dann wie im alten Goldstandard: das «Gold Europas». Wenn auch nur aus Papier oder elektronischer Materie und nicht aus dem gelben Metall. Der Euro konnte niemals nationale Währungen ersetzen, er konnte nur als Alternativwährung fungieren, eben wie früher das Gold im Goldstandard. Kehrte man dahin zurück, hätte das mehrere Vorteile. In der EU verschwände der Graben zwischen Ländern mit und ohne Euro. EU und Eurozone wären identisch. In Kombination mit der nationalen Währung könnten sogar Länder wie die Schweiz, England, Russland oder Norwegen zu Euroländern werden.
Wenn die einzelnen Staaten zu ihren Währungen, also zum Beispiel die Griechen zur Drachme, zurückkehren, hätte das doch verheerende Folgen. Die Griechen würden bei der Ankündigung dieses Schrittes zur Bank rennen und sofort ihre Guthaben sichern.
Hankel: Im Gegenteil: Die Aussicht auf Wiedereinführung der alten Währungen würde einen Freudenrausch auslösen. Nicht nur in Deutschland, wo die D-Mark fast so ein Mythos ist wie der alte Kaiser im Kyffhäuser. Man müsste den Menschen nur klarmachen, dass es sich um einen Währungs-umtausch handelt und nicht um eine Währungsreform. Und dass dieser Umtausch nicht mit einer Wertverminderung ihrer Guthaben einhergeht.
Hat der Euro nicht auch gute Seiten? Die mühsamen Wechselkurse entfallen, Touristen müssen nicht andauernd in die Wechselstube. Das ist doch unter dem Strich praktisch.
Hankel: Jede Bequemlichkeit hat ihren Preis – auch diese. Im Falle des Euros ist der Preis auf Dauer unbezahlbar. Ausserdem ist diese Bequemlichkeit billiger zu haben: am Geldautomaten im Ausland. Er kann inzwischen umrechnen.
Was ist Ihrer Ansicht nach das Grundübel am Euro?
Hankel: Der unverantwortliche Leichtsinn, mit dem Politiker zwingende ökonomische – und menschliche – Gesetze ignoriert haben. Ökonomisch ist es widersinnig, dass sich Staaten mit unterschiedlichen Volkswirtschaften eine Währung teilen. Staat und Währung gehören zusammen. Was versteht denn eine «staatenlose» Zentralbank wie die EZB von den Problemen der ihr anvertrauten 17 Länder? Die sind doch in Griechenland anders als in Deutschland oder der Schweiz. Und: Was bei 17 Euro-Ländern nicht funktioniert, wie soll denn das, wie vorgesehen, bei 28 EU-Ländern klappen? Und dann die menschliche Seite. Die Menschen manifestieren ihre Bedürfnisse mit dem Geldschein. Er lässt erkennen, was sie wirklich wollen, und auch was nicht. Man sieht es jetzt an der Flucht aus dem Euro – nicht nur in den Krisenländern der Eurozone. Einer der grossen Ökonomen der Wiener Schule: Eugen von Böhm-Bawerk, Lehrer des heute viel zitierten Friedrich August von Hayek, hat das bereits vor 100 Jahren in seinem grundlegenden Essay «Macht oder ökonomisches Gesetz?» klar gelegt. Eine Politik, die gegen ökonomische Gesetze und damit gegen menschliche Grundbedürfnisse regiert, zieht immer den Kürzeren. Diese Erfahrung machen derzeit auch die Euroretter. Nur, sie hätten sie sich – und den Menschen, für die sie da sind – ersparen können. Was jetzt passiert und noch passieren wird, war auch schon vorher klar.
Hatten diverse Staaten nach der Wiedervereinigung nicht einfach zu viel Angst vor einem starken Deutschland mit einer starken D-Mark?
Hankel: Noch bevor 1992 der Vertrag von Maastricht über die EU unterzeichnet wurde, forderten Giulio Andreotti, Margaret Thatcher und François Mitterand, die Staatchefs von Italien, Grossbritannien und Frankreich, den damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl dazu auf, der Währungsunion beizutreten. In einem Brief schrieben sie, ein zu starkes Deutschland mit einer zu starken Währung störe Europa und könne nicht hingenommen werden. Nachdem der Euro eingeführt worden war, hat Frankreich als erstes Land die Stabilitätsregeln gebrochen und ein zu hohes Staatsdefizit gemacht. Deutschland zog mit, vermutlich aus Solidarität, damit Paris nicht allein als schwarzes Schaf dastand. Das war eine politische Dummheit der damaligen rot-grünen Regierung.
Sie haben 1998 vor dem deutschen Bundesverfassungsgericht gegen die Einführung des Euro geklagt. Danach hatten Sie Pariastatus. Der Spiegel bezeichnet Sie als «renitenten Professor». Wie haben Sie das erlebt?
Hankel: Der Kreis meiner Fans hat sich verändert. Die Politiker meiden mich. Aber wenn ich irgendwo im Café sitze, setzen sich Menschen spontan zu mir. Ich bin mit diesem Tausch zufrieden. Politiker und Medien schneiden mich, das Volk schätzt mich. Meine Homepage wird tausendfach angeklickt. Die Menschen honorieren meinen Einsatz für sie, Deutschland und Europa. Das tut mir gut.
Die Einführung des Euros konnten Sie nicht verhindern.
Hankel: Natürlich nicht. Aber leider haben sich alle Befürchtungen, die ich zusammen mit Wissenschaftskollegen
vorgebracht habe, erfüllt. Entgegen dem Eindruck in der Öffentlichkeit haben wir durch unsere Verfassungsklagen doch einiges erreicht. So hat das Gericht festgehalten, dass die Eurozone eine
«Stabilitätsgemeinschaft» sein muss. Wenn dies nicht der Fall sei, habe jede deutsche Regierung das Recht, die Währungsunion wieder zu verlassen. Mit unserer zweiten Klage gegen den
Euro-Rettungsfonds EFSF haben wir im Mai 2010 einen weiteren Teilerfolg erzielt, als es um die Hilfen an Griechenland ging. Das Gericht hat festgelegt, dass die Regierung nicht «auto-matisch»
Budgetüberweisungen vornehmen darf. Bundeskanzlerin Angela Merkel muss jeweils vorher das Plazet des Parlaments einholen. Das verstand sich nicht von selbst. Und ausserdem gibt es dank diesem
Urteil keine Eurobonds, also keine EU-Staatsanleihen.
Sie haben im letzten Sommer auch gegen den dauerhaften Rettungsschirm (ESM) geklagt.
Hankel: Das Hauptverfahren steht noch aus. Dann wird das Gericht auch prüfen, ob die Europäische Zentralbank unbeschränkt Schrottanleihen kaufen darf oder ob das den Rahmen der europäischen Gesetzgebung sprengt. Wir sind zuversichtlich. Unser bester, wenn auch unfreiwilliger Verbündeter ist der europäische Gerichtshof (EuGH). Seine Rechtsbrüche und -verdrehungen sind so unglaublich, dass sie das deutsche Verfassungsgericht gar nicht hinnehmen kann. So hat der EuGH zum Beispiel für rechtens erklärt, dass Eurostaaten für andere Eurostaaten haften – obwohl es die EU-Verträge in der No-Bailout-Klausel strikt verbieten. Doch der EuGH «hilft» den Rettern, indem er die damit verbundenen Milliardenzahlungen als «normale Kredite» interpretiert. Das ist ungeheuerlich. Denn dieses Geld finanziert keine realen Investitionen, es verschwindet in schwarzen Löchern.
Altkanzler Helmut Schmidt (SPD) hat Sie wegen Ihrer Kritik am Euro als geschichtslosen Fachidioten hingestellt. Was sagen Sie ihm jetzt?
Hankel: Wenigstens hat er mir nicht die Fachkompetenz bestritten. Im Übrigen: Er hat Deutschland nur Geld gekostet hat, während ich mit dem «Bundeschätzchen», das ich in meiner Zeit als Leiter der Abteilung «Geld und Kredit» im Bundeswirtschaftsministerium Ende der 1960er-Jahre erfunden habe, der Staatskasse mehrere 100 Milliarden D-Mark eingebracht habe. Es war unser markwirtschaftliches Gegenstück zum «Volkseigentum» der früheren DDR. Der Bürger wurde mit seinen Spargroschen am Staatsvermögen beteiligt und erhielt dafür – als Quittung – ein gut und progressiv verzinstes, kursschwankungsfreies Wertpapier. Es war fast ein halbes Jahrhundert lang der Renner am deutschen Kapitalmarkt. Ausserdem wurde es x-fach imitiert: von Sparkassen, Volksbanken usw. Leider hat die Bundesregierung jetzt zu Jahresende seinen Vertrieb eingestellt, nachdem sie es schon während der letzten Jahre kaum noch verzinst hat. Es ist eine kolossale Dummheit, denn gerade jetzt kommt es darauf an, möglichst grosse Teile der Staatsschuld im Lande zu behalten – und der Bundesschatzbrief war das ideale Papier dafür.
Heute sind Sie ein viel geladener Redner, im deutschen Politmagazin «Cicero-Liste» figurieren Sie auf der Liste der 500 bedeutendsten deutschen Intellektuellen. Eine Genugtuung?
Hankel: Ja. Aber es ehrt die Juroren. Sie zeigen, dass sie Kritiker respektieren und nicht auf jeden Phrasendrescher reinfallen.
Die europäischen Staatschefs eilen von Krisengipfel zu Krisengipfel und sprechen Abermilliarden zur Rettung von Pleitestaaten wie Griechenland. Was bewirkt dieser Aktivismus überhaupt?
Hankel: Die deutsche Gesellschaft für Sprachwissenschaft hat das Wort «Krisenroutine» zum Unwort des Jahres gekürt. Das Skandalöse ist, dass die Politiker nicht schlecht von ihrer Krisenroutine leben. Die Spesen sind gewaltig. Nur wofür? Die Krisenroutiniers zeigen mit jedem ihrer Gipfel einmal mehr, dass sie gar kein Konzept zur Lösung der Eurokrise haben. Sie verschleudern Billionen Euro, ohne eine Bilanz vorzulegen, aus der klar ersichtlich wäre, wofür. Seit Ausbruch der Eurokrise hat allein die Europäische Zentralbank rund 5 Billionen Euro gedruckt. Oder elektronisch verschickt. Ein materieller Gegenwert dafür ist nirgends zu erkennen. Im Gegenteil: Die Wirtschaftsleistung der Eurozone geht zurück. Es handelt sich also um Geldschöpfung ohne Wertschöpfung. Tatsächlich sind die 5 Billionen sind in den Bankenapparat der Eurozone geflossen. Die Banken haben das Geld mangels ausreichender Kreditnachfrage an der Börse angelegt. Die Frage, die sich jeder stellen muss, lautet: Wann kommt der nächste Schwarze Freitag? Es gibt genügend Parallelen zu den 1920er-Jahren. Auch damals wurde die Geldmenge bei mässigem Wachstum zu stark ausgeweitet. Irgendwann platzt die Blase, weil jemand zu viele Posten auf einmal verkaufte und die Kurse einbrachen, an jenem ominösen Freitag teilweise um bis zu 90 Prozent. Das kann sich wiederholen.
Hat überhaupt noch jemand den Überblick über all die Konstrukte, dank denen die Krisenstaaten der Eurozone aus dem Schuldensumpf finden sollen?
Hankel: Nein. Und ich frage mich, ob dahinter nicht Absicht steckt. Wenn jemand den Überblick hätte, wäre das Entsetzen über die verschwundenen Billionen ja noch grösser. Die Verschleierung ist Teil der Politik der Euroretter. Kämen die ganzen Konsequenzen dieser Übung ans Tageslicht, sie wäre schnell beendet. Gibt es einen intelligenten Politiker, der längst erkannt hat, dass ein Abbruch der Eurorettung nötig wäre? Ich sehe keinen. Leider gibt es genug dumme Politiker in Europa, die die Augen zu und weiter machen.
Sind diese Rettungsschirme denn nicht eine Art Marschallplan wie nach dem Zweiten Weltkrieg, dank denen die verschuldeten Staaten wieder auf die Beine kommen könnten?
Hankel: Ich arbeitete als junger Volkswirt im deutschen Marshall-Plan-Ministerium, als dieser Plan umgesetzt wurde. Der Marshallplan ist der Beweis für die klassische Theorie, dass man Kapital nur durch Arbeit bilden kann. Und dass man, um arbeiten zu können, genügend zu essen haben muss. Um aufzubauen, muss man etwas leisten. Die Eurorettung funktioniert nach dem umgekehrten Prinzip: Geld ohne Leistung. Es wird ein Status quo zementiert. Leider ist es der der Pleite.
Die Schweizerische Nationalbank kauft grosse Mengen an Euro – Ende November sass sie auf einem Devisenbestand von 174 Milliarden Euro – um den Wechselkurs von 1.20 zu verteidigen. Können Sie das nachvollziehen?
Hankel: Ich liebe die Schweiz, aber verstehe die panische Furcht der Schweizer Behörden vor der Aufwertung des Frankens nicht. Sie ist völlig unberechtigt. Die D-Mark hat in ihren letzten 25 Lebensjahren ständig aufgewertet. Deutschland wurde in dieser Zeit nicht ärmer, sondern immer reicher. Das würde auch in der Schweiz passieren. Wer exportiert, muss auch importieren. Die Importe werden bei einer starken Währung ständig billiger, auch für Wirtschaft und Industrie. Sie gewinnt an Wettbewerbsfähigkeit. Mein früherer Chef, Bundeswirtschaftsminister Karl Schiller von der SPD, sagte damals: Jede DM-Aufwertung ist eine Ausschüttung von «Sozial-Dividende an das deutsche Volk». Man kann sich mehr im Supermarkt kaufen und reist günstiger ins Ausland. Das gilt auch für die Schweiz. Die Schweizerische Nationalbank verschwendet Volksvermögen, wenn sie Geld in einer Währung anlegt, die es wahrscheinlich schon bald nicht mehr gibt. Wo bleibt da der gesunde Menschenverstand? Der Schweizer Sinn fürs Reale?
Die EU hat den Friedennobelpreis erhalten. Ihr Kommentar?
Hankel: Da war wohl der Wunsch der Vater des Gedankens. Seit wir den Euro haben, nehmen die Gehässigkeiten und Animositäten unter den europäischen Völkern in einem erschreckenden Ausmass zu. Die zu rettenden Euroländer haben sich nicht gerade überschwänglich für die vielen hundert Milliarden Euro, die sie als Hilfe erhalten haben, bedankt. Bei den nächsten Milliarden werden sie es auch nicht tun. Ich kann nicht nachvollziehen, was sich das Nobelpreiskomitee bei der Verleihung dieses Preises gedacht hat. Nicht die EU sichert den Frieden Europas, sondern die Einsicht, dass man einen Dritten Weltkrieg weder braucht noch bezahlen könnte.
Euro-Rettung: Hinter Inflationsgefahr und Flucht aus der Währung lauert die Dauerkrise
Wenn die Leute täglich in der Tagesschau sehen könnten, wie durch die Niedrigzinsen ihr Erspartes an Wert verliert, wären sie entsetzt“, warnt frühere Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer. Der Verbraucherpreisindex bilde die tatsächlichen Verluste nicht ab. Kommen zur Null-Zins-Politik noch drei Prozent Inflation dazu, verliere eine private Altersrente innerhalb von 20 Jahren mehr als die Hälfte ihrer Kaufkraft, so Mayer im Spiegel.
Hinter Inflationsgefahr und Flucht aus der Währung lauert die Dauerkrise, auch für den Norden des Euro-Raums. Europas Spitzenpolitiker retten den Euro, indem sie die unantastbarsten Werte des alten Kontinents: Recht, Vertragstreue, stabiles Geld zur Chef-Sache erklären, zur Knetmasse ihrer Politik.
Sie verheißen Europa eine große Zukunft, indem sie den Bürgern die Ihre nehmen – denn wie sollen diese zukünftig für ihre Familien sorgen, wenn ihren Einkommen und Vermögen die reale Substanz entzogen wird? Die Politiker erwarten von ihren Wählern, daß sie aufhören, ihren Verstand zu gebrauchen. Sie sollen ihnen glauben, daß Mario Draghis frisch gepreßte Euro-Billionen keine Wirkung auf die Kaufkraft ihrer Einkommen und Vermögen haben werden, weder jetzt noch später – und das bei einer Wirtschaftsleistung der Euro-Zone, die dank der mit dieser „Hilfe durch Inflation“ verbunden Spar-Auflagen die Wirtschaftsleistung der Euro-Zone unter die Null-Linie drücken.
Ist es schon Wahnsinn, so zeigt er wenigstens Methode – jetzt kommt zur großen Euro-Lüge noch die kleine: daß diese Inflation niemals im Supermarkt stattfinden werde. Sie verbillige „nur“ das neue Schuldenmachen der alten Schuldensünder von Griechenland bis Spanien und garantiere Höhenflüge (oder Blasen?) an den Aktien-Börsen. Wer’s glaubt wird nicht selig, sondern verliert seine Ersparnisse. Die Euro-Inflation zeigt sich schon jetzt in der Verteuerung neuer Vermögensanlagen.
Wer jetzt erst aus dem Euro flüchtet, der zahlt drauf
Wer jetzt kauft, um seine Zukunft zu sichern – Gold, Immobilien, Aktien, starke Fremdwährungen – kauft teurer ein als noch vor kurzem. Der Gegenwert seiner Euro-Ersparnisse nimmt dadurch nicht zu, sondern ab. Freuen darüber kann sich nur, wer seine Flucht aus der sich entwertenden Euro-Währung schon seit langem hinter sich hat. Doch da die Euro-Schwäche weiter gehen wird (weil das Wunder ihres Endes „von selbst“ leider ausbleiben wird) kann sich die Flucht besorgter Bürger aus ihrer verkorksten Währung nur verstärken. Was derzeit noch den offenen Ausbruch der von Europäischer Zentralbank (EZB) und ihren Rettungssatteliten (EFSF, ESM) unverhüllt finanzierten Preisinflation hinausschiebt sind, anders als in der Weltwirtschaftskrise der dreißiger Jahre, brachliegende Produktionsreserven. Es ist die von Tag zu Tag anschwellende Fluchtwelle aus der Titanic-Währung Euro: Die Passagiere retten sich in die Boote, solange diese noch an Bord und flott zu machen sind.
Wenn sich Europa eines nicht leisten kann, dann ist das zusätzlich zu seinem Verlust an Humankapital (schrumpfende Bevölkerung) auch ein ständiger Aderlaß an Geld- und Sachkapital. Auch wirtschaftliches „Know-How“ geht dem Euro-Raum verloren, wenn ihn zusammen mit dem Geld- auch das Firmenkapital flüchtet. Europas Spitzenpolitiker kreieren, ganz gegen ihre Intention, Europas neuen Nationalismus. Nur: Er gilt nicht, wie der alte, dem Vaterland, sondern der Sicherung bürgerlichen Überlebens, der eigenen privaten und familiären Zukunft. Man sollte jeden dieser Europa-„Visionäre“ zur Offenlegung seiner privaten Vermögensverhältnisse verpflichten: wie und wo er seine Ersparnisse anlegt. Man will als Wähler wissen, ob, wer Europas Zukunft predigt, auch selber an diese glaubt.
Europa ist nur zu retten, wenn es die Rettung des Euro über noch mehr neues Geld und noch höhere Steuern aufgibt. Es könnte zur Rettung des Ertrinkenden werden, der seine Retter mit in die Tiefe reißt. Angela Merkel, ihr Finanzminister und ihr Herausforderer Peer Steinbrück – sie alle sollten wissen, daß es Alternativen zur Fortsetzung von Europas monetärer Integration gibt: Solche, die weder die Vermögen der Bürger noch gewachsene Demokratien gefährden. Helmut Schmidt hat seiner Zunft einmal den Rat gegeben, rechtzeitig zum Psychiater zu gehen, bevor sie realitätsblind werden. Denn wenn sie die Währung ruinieren, sind auch ihre Pensionen dahin.
Deutschlands Bundesverfassungsrichter, den Ephoren des alten Sparta vergleichbar, die dort die Letzt-Aufsicht über Könige und andere Staatsinstanzen inne hatten, unterscheiden sich von diesen in einem wesentlichen Punkt: Sie strafen nicht, sie zeigen Wege auf, wie man diesen Strafen entgeht. Das vom Bundesverfassungsgericht am 12. September gefällte Vorab-Urteil über den Europäischen Stabilisierungs-Mechanismus (ESM) und die anderen mit ihm verbundenen Rettungsmaßnahmen zum Schutze des Euro (Fiskalpakt, Staats-anleihe käufe der EZB) rügt nicht etwa die damit verbundenen (und bereits begangenen) Rechtsbrüche und Verletzungen des Europa-Rechts. Das Urteil zeigt auf, wie diese mit dem deutschen Grundgesetz in Einklang gebracht und damit ex post legalisiert werden können. Das offizielle Europa hat darin (und zurecht) die Beseitigung der den Euro-Rettern aus Deutschland drohenden Einwände und Zahlungsverweigerungen gesehen; auch denjenigen der Deutschen Bundesbank. Deutschlands Medien-Welt hat pflichtgemäß mit gejubelt und applaudiert. Doch was unterscheidet diese „Rechthilfe“ des höchsten deutschen Gerichts von Tipps an geübte Rechtsbrecher: Wenn ihr es etwas anders angeht und ein paar formale Dinge ausräumt, dann wird die Sache schon klappen. Von uns habt Ihr dann nichts mehr zu befürchten! Nicht nur sind die von den Verfassungsrichtern genannten „Bedingungen“ für Deutschlands Beteiligung am Euro-Rettungsprogramm leicht zu nehmende Hürden, es handelt sich um unter Vertragspartnern übliche Selbstverständlich-keiten. Die bislang unklaren Haftungsgrenzen für den Bundeshaushalt müssen präzisiert und von den Partnern respektiert werden. Die Manager im ESM sind nicht der Pflicht enthoben, ihre Maßnahmen und Absichten vor dem deutschen Parlament zu rechtfertigen. Deutschlands Vertreter in diesem Gremium (der Bundesfinanzminister) darf nicht so einfach und folgenlos von den Geldemp-fängern überstimmt werden wie z.B. der Bundesbankpräsident ständig in den entsprechenden Gremien der EZB. Nein: Ein wirksamer Rechtschutz für Deutschlands Steuerzahler und Sparer sieht anders aus! Er hätte zu überprüfen, ob der Einsatz von 190 Mrd Euro (zwei Dritteln von Deutschlands jährlicher Steuerkraft – und auch dies nur bei guter Konjunktur) und die sie begleitende Inflationsgefahr (nachdem sich die EZB im Zuge dieses Programmes statutenwidrig als Staats-Finanzierer betätigt) überhaupt gerechtfertigt werden kann. Was wiegt denn schwerer: eine Europa-Währung mit permanenter Infarkt-Gefahr (sein Eintritt ist inzwischen bere-chenbar geworden) oder der Erhalt von Europas größten und für die Welt vorbildlichen Errungenschaften: Rechtsstaat, Parlamentarismus und einer bür-gerlichen Gesellschaft, deren Kapitalismus inzwischen der weltweit sozialste geworden ist? Ein Verfassungsgericht hat den Auftrag, den Status quo und die Zukunft der Gesellschaft, ihrer Bürger sowie ihrer Kinder und Erben zu sichern. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichte unter seinem Präsidenten Andreas Voss kuhle hat sich diesem Auftrag mit der salvatorischen (man könnte auch sagen Pontius Pilatus)Klausel, man sei für Inhalt und Folgen der Euro-Rettungspolitik „nicht zuständig“, konsequent verweigert. Dafür, so führte er auch dieses Mal in seiner Urteilsbegründung aus, seien einzig und allein Bundestag und Bun-desregierung „als gewählte Vertreter des Volkes“ verantwortlich. Nicht das Bundesverfassungsgericht. Wirklich? Prof. Karl Albrecht Schachtschneider hatte dies schon früher als „Verweigerung des Rechts auf Recht“ kritisiert und beklagt. Aber jetzt kommt es weit Schlimmer: Das Gericht verurteilt den Euro zur Rettung, obwohl es diese weder geben kann noch wird. Wieder einmal wird „Zeit gekauft“ – doch für wie lange und wofür? Offenkundig – und auch den Richtern einsichtig – für eine weitere Peri-ode der Rat- und Hilflosigkeit und des längst unberechenbar gewordenen Auf-häufens neuer Schäden zu den alten! Was seit Phönizier Tagen jeder Kaufmann weiß, dass Verluste, die längst ein-getreten sind, ausgebucht und abgeschrieben werden müssen, damit nicht neue entstehen, wird von den Regierungen der Euro-Zone und dem (natürlich deutschen) Präsidenten des Europa-Parlamentes als „unpolitisches Ökonomen-Gewäsch“ abgetan und vom Bundesverfassungsgericht nach Korrektur einiger (belangloser) Formfehler für rechtens erklärt. Sieht so der im Grundge-setz verankerte Amtseid aus: „Schaden vom deutschen Volk abzuwehren“? Eine Frage, die auch ein allzu eilfertig unterschreibender Bundespräsident sei-nem Volk beantworten müsste! Die Rettungspolitiker der Euro-Zone haben nur die Wahl zwischen Inflation und Schuldenschnitt („haircut“). Weil sie letzteres ausschließen, um Staaten und Banken zu schonen, deren Konkurse längst eingetreten sind, aber nicht öffentlich gemacht werden dürfen, vergiften sie mit der Inflations-„Medizin“ den Euro tödlich. An diesem Gift muss er sterben und wird er sterben. Und Deutschlands höchstes deutsches Gericht erklärt diesen Tod sogar für ver-fassungskonform.